Fotos: Michael Miethe, Berlin
Darum ging es auf unserem Fachtag
Wohnungslosigkeit ist in Berlin ein dringliches Problem. Ist sie erst einmal eingetreten, ist sie nur äußerst schwierig zu beheben. Ganz zu schweigen von den Kosten, die entstehen. Im Jahr 2015 gab es über 6000 Aufträge zur Zwangsräumung von Mieterinnen und Mietern!
Angesichts stetig steigender Wohnungslosenzahlen stellt sich neben dem Neubau – insbesondere von preiswertem Wohnraum – die Frage, wie wirkungsvoll verhindert werden kann, dass Menschen ihre Wohnung verlieren.
Dass Wohnverhältnisse bedroht sind, erfahren die zuständigen Behörden in Berlin oft sehr spät. In der Regel geht eine Mitteilung des Amtsgerichtes über eine anhängige Räumungsklage ein. Die Vermieter müssen keine behördlichen Stellen über Wohnraumkündigungen informieren. Als Instrumente der Wohnraumsicherung kommen häufig Mietschuldenübernahmen durch die Jobcenter oder Sozialämter zum Einsatz.
Wir haben nachgefragt: Wer ist und fühlt sich für die Organisation der Prävention von Wohnungslosigkeit in Berlin zuständig? Was können wir von Kommunen lernen, die in den letzten Jahren erfolgreich in die Prävention investiert haben? Was ist auf Berlin übertragbar?
In vielen bezirklichen Dienststellen fehlen die finanziellen Mittel und das Personal. Aufsuchende Hilfen für Menschen in Wohnungsnot werden von den Behörden kaum oder gar nicht geleistet. Das sind Folgen massiver Sparmaßnahmen der letzten Jahre und Jahrzehnte, aber auch von fehlenden Präventionsketten. Für Betroffene ist es oft unklar, wer in den Berliner Bezirken für welche Aufgabe zuständig ist. Räumungsbedrohte Menschen erhalten oftmals keine rasche und kompetente Hilfe.
Bereits 1987 empfahl der Deutsche Städtetag die Errichtung von sogenannten Fachstellen zur Wohnungssicherung und Wohnungsversorgung. Die Idee: Eine weitgehende Zusammenfassung von Zuständigkeiten und die Bündelung von Kompetenzen kann Wohnungslosigkeit in vielen Fällen vermeiden und beheben. Austausch, Abstimmung und rasche Intervention stehen im Vordergrund. Betroffene profitierten von der Kooperation öffentlicher und anderer Stellen und von bedarfsgerecht gestalteten Schnittstellen zu weiteren Hilfesystemen (u. a. Suchthilfe, Hilfe bei psychischen Erkrankungen oder Schulden).
Das Wissen und die Erfahrungen anderer Kommunen, die das Fachstellenmodell seit Jahren praktizieren, braucht Berlin heute dringlicher denn je.
Hier haben wir mit unserem Fachtag angesetzt: Wir wollten die Idee des Fachstellenmodells für Berlin auffrischen! Gleichzeitig haben wir als Landesarmutskonferenz Berlin dafür geworben, das Fachstellenmodell konsequent anzuwenden. Denn der Wohnraumverlust einer wachsenden Anzahl von Menschen muss in Zukunft viel effektiver verhindert werden!
Programm
12.30 Uhr Begrüßung Hermann Pfahler, Sprecher der Landesarmutskonferenz Berlin & Dagmar von Lucke (Sprecherin der Fachgruppe Wohnungslose Menschen)
13.00 Uhr Dr. Martin Lenz: "Das Karlsruher Fachstellenkonzept: Von der Prävention zur Wohnraumversorgung", anschließend Diskussion
14.00 Uhr Pause
14.30 Uhr Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema: "Prävention von Wohnungslosigkeit: Was lehrt uns das europäische Ausland?“, anschließend Diskussion
15.30 Uhr Zusammenfassung der Ergebnisse: Was ist zu tun?
16.00 Uhr Ende der Veranstaltung
Dr. Martin Lenz ist Bürgermeister und Dezernent für Jugend und Eltern, Soziales, Schulen, Sport, Bäder und Migrationsfragen in Karlsruhe.
Zuvor war er Sozialamtsleiter, Leiter der Fachstelle Wohnungssicherung Karlsruhe und Sozialplaner. 2016 hat er als Sachverständiger bei der Anhörung zum Integrationsgesetz im Deutschen Bundestag mitgewirkt.
Dr. Martin Lenz hat u. a. folgende Fragen beantwortet:
Gab es seinerzeit bei der Einführung Widerstände in der Verwaltung, Sozialpolitik und bei anderen Akteuren und wie konnten diese überwunden werden?
Wie vernetzt arbeiten die in das Geschehen eingebundenen Dienste und Behörden? Wer hat den Hut auf?
Gibt es eine Evaluation der Fachstellenarbeit und wie wird der Erfolg gemessen?
Gibt es eine Kosten-Nutzen-Berechnung oder Einschätzung?
Veröffentlichungen
- Auf dem Weg zur sozialen Stadt - Abbau benachteiligender Wohnbedingungen als Instrument der Armutsbekämpfung (2007)
- Zehnjahresbilanz Wohnraumakquise durch Kooperation (2017 mit Steffen Schäfer)
- Integrationsgesetz: Sozialplanung in der Stadtplanung (2016 mit Regina Heibrock)
- Stadtsoziologie in kommunaler Praxis am Karlsruher Beispiel sozialer Wohnraumversorgung (2013)
- Armutsberichterstattung: Kommunale Sozialpolitik, Sozialplanung und soziale Arbeit in Karlsruhe (2011)
- Selbstevaluation als reflexives und gestaltendes Instrument in der Wohnungslosenhilfe – das „Projekt 2010“ in Karlsruhe (2008 mit Susanne Gerull)
- Verfasser des 1. Armutsberichts der Stadt Karlsruhe (1993) und Herausgeber der Karlsruher Schriftenreihe“
Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. (GISS) in Bremen.
Prävention von Wohnungslosigkeit hat in den letzten Jahren auch in zahlreichen Ländern der Europäischen Union an Bedeutung gewonnen. Professor Dr. Volker Busch-Geertsema wird in seinem Beitrag der Frage nachgehen, was wir aus Politik und Praxis anderer EU-Länder lernen können, um die Prävention von Wohnungslosigkeit in Deutschland zu verbessern.
Hintergrund seiner Ausführungen bilden seine umfangreichen Erfahrungen in diesem Bereich: Volker Busch-Geertsema koordiniert seit 2009 das European Observatory on Homelessness und war in den Jahren 2013 bis 2015 Mitglied des Koordinierungsteams für ein europaweites Projekt zur Prävention von Zwangsräumungen.
Darüber hinaus wirkte Professor Dr. Busch-Geertsema in Nordrhein-Westfalen als Mitarbeiter der GISS an einer landesweiten Präventions-Untersuchung mit.
Gastgeber für unseren Fachtag (und unsere Mitgliederversammlung) war der DRK Landesverband Berliner Rotes Kreuz e. V.
Der DRK Landesverband führt in diesem Jahr den Vorsitz der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin.
Herzlichen Dank für die Möglichkeit, dass wir diese Veranstaltung bei Ihnen durchführen durften!
12161 Berlin
(zwischen den U-Bahnhöfen Bundesplatz und Friedrich-Wilhelm-Platz)
Wie kann der Verlust der eigenen Wohnung verhindert werden?
Ende 2016 erschien unsere Broschüre zum Thema Mietschulden und drohender Wohnungslosigkeit. Diese kann weiterhin in unserer Geschäftsstelle in der Wilhelmstraße 115 bezogen werden.
ACHTUNG: Aufgrund der hohen Nachfrage bitten wir Sie allerdings, sich bei Interesse telefonisch unter der 030-690 382-75 oder unter info(at)landesarmutskonferenz-berlin.de zu melden. Vielen Dank!
Mitgliederversammlung
Auch in diesem Jahr gab es mit unseren Mitglieder eine Mitgliederversammlung!
Wir haben über das gesprochen, was wir im letzten Jahr alles schaffen konnten und einen Ausblick auf das kommende Jahr gewagt.
In diesem Jahr standen darüber hinaus die Wahlen der Ämter von Sprecherin und Sprecher an. Ingrid Stahmer und Hermann Pfahler wurden für weitere zwei Jahre in ihrem Amt bestätigt. Herzlichen Glückwunsch!
Ein besonderer Dank geht an Herrn Volker Billhardt, Vorsitzender des Vorstandes und Landesgeschäftsführer des Landesverbandes des Berliner Roten Kreuzes e. V., der in seinem Grußwort seine Freude zum Ausdruck gebracht hat, die Landesarmutskonferenz Berlin als Gast begrüßen zu dürfen.
In seiner Funktion als Geschäftsführer der Liga Berlin (Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege) betonte er die gute und enge Zusammenarbeit der Landesarmutskonferenz Berlin mit den Wohlfahrtsverbänden.