Die Zahl wohnungsloser Menschen steigt in den letzten Jahren unaufhörlich. Dabei sind heutzutage nicht mehr nur die
Angehörigen von Randgruppen von Wohnungslosigkeit bedroht. Der „klassische Obdachlose“ mit Rauschebart und Plastiktüte gehört
schon fast zu den Seltenheiten im Stadtbild.
Neu ist, dass immer häufiger auch Familien mit Kindern die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe aufsuchen. Ein Umstand, der selbst in den achtziger Jahren verhindert werden konnte. Damals gab es einen ähnlich hohen Wohnungsmangel in Berlin.
Angesichts dieser Situation setzt die Landesarmutskonferenz Berlin (lak) mit der Kampagne „Wohnen hat Not“ ein Zeichen für einen stärkeren Einsatz gegen drohende Wohnungslosigkeit.
„Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung müssen handeln“, sagt Hermann Pfahler, Sprecher der lak und Experte in Sachen Wohnungsnot. Daher fordert die lak zum Gegensteuern auf und bietet
konstruktive Vorschläge, wie man die ärgsten Probleme angehen kann.
Einer der zentralen Schritte in diese Richtung wird der parlamentarische Abend im Abgeordnetenhaus zum Thema „Kinder in Wohnungsnot“. Eine Informations-veranstaltung um auf die zunehmende Zahl
der von Wohnungslosigkeit betroffenen Familien mit Kindern aufmerksam zu machen. Dort werden neben Expertenberichten
auch Praxiserfahrungen aus den Wohnungslosenhilfeeinrichtungen ausgetauscht.
Zudem setzt die lak weiterhin auf die Information von Betroffenen. So wird momentan an der Broschüre „Was tun, wenn Wohnungslosigkeit droht?“ gearbeitet. Diese kostenlose Handreichung – mit einer
geplanten Auflage von 20.000 Exemplaren – wird in Beratungsstellen von Menschen in Wohnungsnot und in Bezirksämtern ausliegen. Über den genauen Erscheinungstermin und Bestellmöglichkeiten wird in
Kürze informiert.
Die lak unterstützt den am 26. Juni stattfindenden European Homeless Cup 2015 und zeigt an ihrem Info-Stand der Armut die rote Karte.
Neun europäische Wohnungslosen-Teams und eine Berliner Flüchtlingsmannschaft
zeigen, dass die meist negativen Vorstellungen über Wohnungslose trügen. Oft werde sie als störend dargestellt. Finanzielle Mittel werden aber nicht in Hilfen, sondern in Sicherheitsdienste
investiert. Auf dem EHC zeigen sie ein ganz anderes Bild.
Am Info-Stand der lak können die Turnierbesucher mit der Aktion „Zeig‘ der Armut die rote Karte“ ihren Unmut über die unfairen Bedingungen des Berliner Wohnungsmarkts ausdrücken. Denn die ständig
steigenden Mieten erzeugen einen Konkurrenzkampf
um Wohnraum, bei dem manche leer ausgehen – und das ohne eigenes Verschulden.
Im Kampf gegen Armut müssen alle an einem Strang ziehen. Doch woher weiß man, welcher Strang der richtige ist? Bei einem so facettenreichen Problem wie Armut greift Kirchturmpolitik zu kurz. Man braucht eine Strategie zur Überwindung der sozialen Ausgrenzung. Und das für die ganze Stadt.
Die Fachgruppe Armutsbegriff hat mit ihrem Entwurf für eine integrierte Armuts- und Sozialberichterstattung (IASB) einen zentralen Baustein für eine solche Strategie vorgelegt. Er zeigt auf, dass man die Statistiken über einzelne Regionen, Lebenslagenbereiche und Ressorts hinweg miteinander verknüpfen muss. Denn nur durch die intelligente Verknüpfung der bereits bestehenden Daten entsteht eine handlungstaugliche Entscheidungshilfe für die Politik.
Das Beste daran: Es bedarf dafür keiner wesentlichen Erweiterung der Statistiken und Erhebungen. Nicht zuletzt deshalb wurde der Entwurf nach seiner Vorstellung im März 2013 auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ durch die Fachöffentlichkeit sehr begrüßt. Und auch einige der Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus sowie mehrere Senatsverwaltungen sehen in dem Entwurf eine geeignete Basis für die Verbesserung der bestehenden Sozialberichterstattung.
Ein weiterer Etappenerfolg: Susanne Gerull, Sprecherin der Fachgruppe "Armutsbegriff", hat den Entwurf der lak am 16. April in einer Anhörung im Abgeordnetenhaus den Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen im Abgeordnetenhaus präsentiert und sich den vielfältigen Fragen der Abgeordneten gestellt. Dabei wurden von keiner Fraktion wesentliche inhaltliche Bedenken geäußert (hier das Wortprotokoll).
Jetzt heißt es, dran bleiben! Bis zur Umsetzung einer integrierten Armuts- und Sozialberichterstattung ist es noch ein weiter Weg. Denn noch müssen die politischen Leitungen in den einzelnen Senatsverwaltungen vom Nutzen und den Chancen einer intelligenten Berichterstattung überzeugt werden.
Der SprecherInnenrat lotet die Möglichkeiten zur Beteiligung Betroffener aus.
Mit der Einladung von Robert Trettin (stv. Sprecher der Nationalen Armutskonferenz) hat der lak-SprecherInnenrat dem Thema Partizipation in der lak einen
neuen Impuls gegeben.
Gemeinsam wurden in der Sitzung am 27. März die Chancen und Herausforderungen der Beteiligung betroffener Menschen besprochen.
Dabei wurde schnell klar: Partizipation ist dann ein Erfolg, wenn beide Seiten etwas von der Zusammenarbeit haben. Grundsätzlich werden sich die lak-Fachgruppen daher stärker für die Betroffenen öffnen.